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Rules or no rules?

Aktualisiert: 8. Juni

Wenn ich in ein neues Setting komme, merke ich, dass ich sehr zurückhaltend, schüchtern, wachsam und beobachtend bin. Das liegt an meinem sehr ambivalenten Verhältnis zu Regeln.


(Kurzer Sidetrack: Ich merke, dass ich für eine Audience schreibe. Das stört mich und ich höre jetzt auf. Ich schreib einfach, was in meinem Kopf ist)


Ich mag gerne wissen, was die Regeln sind. Besonders in sozialen Gefügen habe ich voll Angst, unausgesprochene Regeln zu brechen. Die Konsequenz wäre sozialer Ausschluss. Deswegen bleibe ich still, bis ich die Regeln kenne. Gleichzeitig finde ich die Regeln oft doof oder unlogisch und finde nicht, dass ich da rein passe. Aber immerhin kenne ich sie jetzt und kann selbst über das Risiko entscheiden eine Regel zu umgehen oder zu brechen.


Jetzt frage ich mich aber schon länger: Welche Regeln gibt es im gemeinsamen Kreieren? Welche Regeln halte ich durch meinen Background (Studium, Musikalische Ausbildung, meine ganzen Privilegien) für Selbstverständlich? Und wie vielen Menschen geht es so wie mir, wenn sie das erste Mal in einen Co-Creativen Prozess einsteigen, den ich facilitate. Ich denke da an die Sänger*innen in meinen Chören, aber auch an die Studierenden in meinen Hochschulkursen. Wie kann ich die unsichtbaren Regeln sicht-, greif-, erfahr- und vor allem änderbar machen?


Im ersten Schritt hab ich mich also gefragt: An welchen Stellen brauche ich welche Art von Literacy, um z.B. an einer Vocal Painting Session aktiv zu partizipieren. Diese Liste wird nun auf jeden Fall Ausgangspunkt für meine Planung und Struktur zukünftiger Proben, Workshops, Vorträge, Unterrichtseinheiten, Seminare etc. Die Liste fühlt sich sehr unvollständig an. Bestimmt werde ich noch viel daran arbeiten. Ich merke, dass ich oft nicht in der Lage bin, gut zu übersetzen und möchte verstehen, an welchen Stellen ich ansetzen kann, um allen - also auch das langsamste Mitglied der Gruppe - die Chance zu geben aktiv mitzugestalten. Mein Vorgehen war erstmal so: Ich habe mir den Ablauf einer Vocal Painting Session angeschaut und imaginiert, wie ich ihn als Teilnehmer*in durchlaufe und an welchen Stellen ich wie interagiere.

Handschriftliche, strukturierte Notizseite mit dem Titel „Co-Creation Literacy (im Chor)“. Die Seite ist in sechs nummerierte Abschnitte gegliedert, linksbündig mit lila Überschriften. Im Fokus stehen Improvisation und Vocal Painting.      Aufstellung: Im Kreis, meistens nach Stimmen sortiert, stehen oder sitzen.    Kommunikationsregeln: Vocal Painting als Sprache (reicht Intuition?), Wer darf wann partizipieren? (folgen, zuhören, führen, eigene Ideen, Raum einnehmen) Darf ich mit Text arbeiten? auf die Gruppe eingehen/einstellen.    musikalisch: Stimme als Instrument, musikalische Kernkompetenzen, Übersetzen können: Wie sagst du sas? Was meinst du damit, was meine ich damit? Dramaturgie, künstlerische Gesamtvorstellung.    Deutungshoheit: Rollen nehmen ohne Absprache (folgen, führen), Beziehung zwischen WIR und ICH    Organisation: Wie sieht der Raum aus (Aufbau, Einrichtung, Ankunft etc.)? Wer partizipiert und mit welchen Voraussetzungen und Beziehungen? Auf welche Art und Weise finden Rollenwechsel statt? Was ist das Setting/Ziel? Wie läuft eine VoPa session üblicherweise ab?    Voraussetzungen / Situiertheit: Bedürfnisse wahrnehmen, „Common Ground“ finden, inklusives Tempo gestalten, Widerstand ernst nehmen, Hürden erkennen und überwinden.  Oben in einem lila Kasten steht eine Reflexionsfrage:„OFFEN: Welche Aspekte kommen hinzu, wenn man facilitatior ist? Welche Aspekte kommen mehr zum Tragen, wenn man facilitated/partizipiert? Was ist nötig, um diese Literacy zu erwerben?  Die rechte Hälfte der Seite ist leer – möglicherweise für weitere Ergänzungen gedacht.

Diesen Sommer - hab ich mir überlegt - möchte ich mich gerne durch Sara Ahmeds Texte arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass ich in den Texten auf vieles Stoße, was mich weiterbringt: Sowohl in meinen Überlegungen, was Lehre und Lernen angeht, aber auch in der Reflexion meiner Privilegien und internalisierten Machtvorstellungen. Ich glaube, ich fange an mit:

Ahmed, S. (2004). The cultural politics of emotion. Routledge.

Aber ich kann mir auch vorstellen mit diesem Buch zu beginnen:

Ahmed, S. (2012). On Being Included: Racism and Diversity in Institutional Life. Duke University Press. https://doi.org/10.1515/9780822395324

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