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Spielregeln


Eine Hand wirft drei weiße Würfel mit roten Symbolen, die unscharf in Bewegung sind. Im Hintergrund liegt ein leuchtend gelbes Buch mit dem Titel „WARMING UP – A Handbook for Choir Warm-Ups, Voice Training and Singing“(Fris-Ronsfeld). Das Cover zeigt eine stilisierte Flamme und grafische Muster. Die Szene spielt sich auf dem Schoß einer sitzenden Person ab, die graue Hose trägt. Unten im Bildrand ist ein kariertes Textilstück zu sehen, möglicherweise ein Hemd.

Ich merke, dass mich das Thema Regeln beschäftigt. Mal wieder. Ich frage mich, wie eine Ballance zwischen Struktur und Freiheit im kreativen Spiel gestaltet werden kann. Wie viel Stütze - scaffolding - wird benötigt? Ich wünsche mir, dass Co-Creative Prozesse die Menschen enablen sich selsbt ihre Strukturen, Regeln und Voraussetzungen zu schaffen. Ich glaube ja, dass Kleingruppen ein gutes Medium dafür sind.


Ich habe aber auch das Gefühl, dass ich hier kritisch fragen muss, welche Konnotationen mit meiner Rolle als Leitung/Facilitator einher gehen. Oft merke ich, dass es diesen Willen gibt, meine Anweisungen möglichst genau umzusetzen. Und dann auch zwischen den Zeilen zu lesen. Was habe ich nicht gesagt, aber vielleicht gemeint? Setze ich den Arbeitsauftrag richtig um? Ist das wirklich so gemeint? Soll ich die Aufgabe sehr wörtlich nehmen, oder eher als Konzept begreifen. In meiner eigenen Rollenvorstellung habe ich garnicht die Deutungshoheit über die Interpretation meiner eigenen Aufgabenstellungen. In dem Moment, wo sie aufgegriffen werden, ist der Interpretationsspielraum offen. Ich verstehe aber, dass es implizite Erwartungen, Muster und auch Erfahrungen gibt, die situativ und relational mit der Rolle der Chorletiung verknüft sind. Ich denke, da habe ich einen blinden Fleck. Nur, weil ich das für mich dekonstruiere, heißt das noch nicht, dass es allen so geht.


Oft erlebe ich Überforderung von Seitern der Teilnehmenden mit dieser Offenheit von Aufgabenstellung. Und auch das Bedürfnis nach mehr Struktur, Sicherheit und Klarheit sollte gehört werden und Raum bekommen. Und gerade in der Zusammenarbeit mit neurodivergenten Personen ist es wichtig, dass Regeln verstanden werden können. Nicht, weil alle sie genau so befolgen wollen, sondern, weil es um das grundsätzliche und tiefgreifende Verständnis davon geht. Erst dieses Level von Verständnis macht es auch für mich möglich, die Sinnhaftigkeit einer Regel in Bezug auf meine eigene Realität, Möglichkeiten oder einfach Stimmung einzuschätzen. Das ist also die eine Seite. Um Regeln zu brechen oder zu biegen, zu umgehen, umzudeuten oder kreativ-spielerisch damit umzugehen, braucht es für viele oft ein gutes und klares Verständnis der Spielregeln. Und der wirkliche Knackpunkt ist gerade für mich, herauszufinden, wie ich nun verdeutlichen kann, dass das Spiel und die Anpassung dieser (oft von mir vorgeschlagenen) Spielregeln nicht nur kein Risiko der Bestrafung mit sich bringt, sondern aus meiner Sicht sogar ein sehr wichtiger Teil kreativer Prozesse und Aneignung ist. Meine Ideen sind:

  1. Etablieren, dass Klärungsfragen gestellt werden. Und zwar so lange und so oft, bis die Bedingungen zufriedenstellend für die Teilnehmenden geklärt sind, die diese Klärung brauchen.

  2. Etablieren, dass Kleingruppen ihre eigenen Spielregeln für Co-Creative Prozesse vereinaberen können. (z.B. Wie fangen wir an? Wer übernimmt welche Rolle? Wie viel Raum will ich einnehmen? etc.)

  3. Fördern und Bestärken, dass der kreative Umgang mit Spielregeln als Teil kreativer Prozesse nicht nur erlaubt, sondern explizit gewünscht ist.

  4. Explizieren, dass ich nicht die Deutungshoheit über die Spielregeln habe, nur, weil ich sie vorschlage oder vorbereitet habe. Auch in der Umsetzung geht es nicht darum, ein Prozess-/Ergebnisbedürfnis meinerseits zu befriedigen oder zu enttäuschen, sondern um eine Infrastruktur kollaborativer Lernprozesse, die kollaborativ gestaltet werden darf.

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